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Glühende Empfehlung

Eine jüdische Buchhalterin verliert ihren Job

„Ihr Ausscheiden aus unserer Firma erfolgt im Zusammenhang mit der durchgeführten Arisierung unseres Unternehmens. Wir wünschen Fräulein Sand das Allerbeste auf ihrem ferneren Lebenswege.“

LINZ

Obwohl die Nazipartei in Österreich vor der Annexion des Landes an Nazideutschland illegal war, fiel die Nazidoktrin in Linz auf fruchtbaren Boden: Der „Österreichische Beobachter“, ein weitverbreitetes illegales Naziblatt, das in der Stadt herausgegeben wurde, hatte bereits 1937 zu einem Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen. Zusätzlicher Schaden wurde jüdischen Unternehmen zugefügt, indem sowohl ihre Namen als auch die ihrer nicht-jüdischen Kunden veröffentlicht wurden. Als im Zuge des „Anschlusses“ im März 1938 deutsche Soldaten in die Stadt einmarschierten, säumten tausende Einwohner der Stadt die Straßen und hießen sie begeistert willkommen. Wie um verlorene Zeit aufzuholen, begannen die Nazis umgehend, sich jüdische Geschäfte anzueignen, manchmal innerhalb von Tagen. Nachdem die 24-jährige Melitta Sand von ihrem Posten als Bürokraft in der nun „arisierten“ Weinbrennerei „Camise & Stock“ entfernt worden war, bekam sie ein überraschend herzliches Empfehlungsschreiben, in dem es unter anderem hieß, sie habe sich durch ihre Arbeit das uneingeschränkte Vertrauen und die vollste Zufriedenheit der Firma erworben.

Vorerst verschont

Ehemailige Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs genießen zeitweiligen Schutz

Wien

Adolph Markus, seine Frau und zwei Kinder gehörten zu den relativ wenigen von Österreichs etwa 200.000 Juden, die nicht in Wien lebten. Am 20. April 1938 fuhr Markus in die Hauptstadt, um seine Familie zu besuchen, die schwierige Situation zu besprechen und Auswanderungsmöglichkeiten zu diskutieren. Während sein Bruder Rudi jeden Tag damit rechnen musste, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, meinte er, Adolph habe als Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs nichts zu befürchten. Tatsächlich waren ehemalige Frontkämpfer und Juden, die ihren Vater oder einen Sohn im Kampf für Deutschland oder seine Verbündeten verloren hatten, von gewissen anti-jüdischen Maßnahmen ausgenommen.

Hitler auf Heimatbesuch

Adolph Marcus hält seine Eindrücke im Tagebuch fest

„Die Angst unter dem Personal wächst von Tag zu Tag [...]“.

Linz

Vom 12. bis zum 14. März hatte sich Hitler in Linz aufgehalten, das er seit seinen dort verbrachten Jugendjahren als seine Heimatstadt betrachtete. In seiner Rede an die Bevölkerung der Stadt hatte er sich zum Vollstrecker des Volkswillens stilisiert und den „Opferwillen“ der deutschen Soldaten und die „Größe und Herrlichkeit“ des deutschen Volkes beschworen. Viele unter seinem Publikum reagierten begeistert, andere wurden von Furcht ergriffen. Mit zwei Sätzen gelingt es Adolph Markus, die angstvolle Atmosphäre an seinem Arbeitsplatz in Linz Tage nach dem „Anschluss“ einzufangen.

Ruhe vor dem Sturm

Ahnungslosigkeit am Tage vor dem Anschluss

„Die Strassen sind merkwürdig ruhig, “Ruhe vor dem Sturm”. Um 5 Uhr nachmittag sind auf manchen Häusern (Meyerzetthaus) Hakenkreuzfahnen sichtbar. Laut Radiobericht ist die österr. Regierung zurückgetreten und Seyß-Inquart soll die Macht übernommen haben. Wir eilen vom Geschäft in größter Aufregung nach Hause.“

Linz

Adolph Markus lebte mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Linz, Österreich. Einen Monat vor dem „Anschluss“ (der Annexion Österreichs an Nazi-Deutschland am 12. März 1938) begann er, ein Tagebuch zu führen, das auf packende Weise die wachsende Spannung schildert. Die Situation änderte sich von Tag zu Tag, und die Juden konnten nur raten, was als nächstes geschehen würde. Einen Tag vor der Annexion schrieb Markus in sein Tagebuch: „Die Strassen sind merkwürdig ruhig, ‚Ruhe vor dem Sturm‘“.

 

Verfolgen Sie eine 24-Stunden-Rekonstruktion der Machtergreifung des Nationalsozialismus in Österreich online unter www.zeituhr1938.at

Live im Internet vom 11. März 2018, 18:00 Uhr bis 12. März 2018, 18:00 Uhr

 

Gefahr im Verzug

Das Tagebuch eines Linzer Juden füllt sich mit dunklen Vorahnungen

„Unterdessen nehmen die Nazidemonstrationen immer größere Formen an, so dass man die immense Gefahr, die jetzt Österreich droht, immer näher kommen sieht.“

Linz

Am 12. Februar, dem Tag, an dem Hitler dem österreichischen Bundeskanzler Schuschnigg das „Berchtesgadener Abkommen“ aufzwang, hatte der Österreicher Adolph Markus begonnen, ein Tagebuch zu führen. Das Abkommen forderte die Freilassung inhaftierter Nationalsozialisten, garantierte den österreichischen Nationalsozialisten freie Betätigung und ihren politischen Vertretern ein größeres Maß an Beteiligung an Regierungsgeschäften. Markus war zum Zeugen des aggressiven Benehmens der Freigelassenen und ihres Empfangs durch Sympathisanten auf den Straßen von Linz geworden. In seinem Tagebucheintrag vom 20. Februar hält er die Geschehnisse des Tages fest und lässt seine Sorge um sein Land erkennen.

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