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Elternfreuden

Familienleben im Schatten des Naziregimes

„Helen wächst schnell, sieht gesund und frisch aus u. ist ein hübsches Mädchen. Sie ist geistig rege u. fängt schon an zu rechnen, schreiben u. lesen.“

Hamburg

Wilhelm Hesse war der Sohn eines orthodoxen Geschäftsmanns. Er lebte in Hamburg mit seiner Frau Ruth und seinen beiden kleinen Töchtern Helen und Eva, deren erste Lebensjahre er in eigens für die Kinder angelegten Tagebüchern festhielt. Zwischen den Einträgen finden sich Hinweise auf jüdische Feiertage und Fotografien der Kinder. Im hier abgebildeten Eintrag dokumentiert er stolz und detailliert die Fortschritte seiner Tochter Helen, die zum Zeitpunkt des Eintrags noch nicht fünf Jahre alt ist. Der promovierte Jurist Hesse war bereits im April 1933 aus dem Dienst entlassen worden.

QUELLE

Institution:

Leo Baeck Institute – New York | Berlin

Sammlung:

Sammlung Helen und Eva Hesse Familie, AR 25327

Original:

Archivbox 1, Ordner 3

Jungen wissen, Mädchen bemuttern

Der Preußische Landesverband Jüdischer Gemeinden schenkt geschlechtsspezifisch

„Die Schenkung erfolgt zu den gleichen Bedingungen, wie die der Barmizwah-Geschenke für Knaben: Gemeinden unter 1000 Seelen erhalten das Buch auf Anforderung kostenlos zur Verfügung gestellt“.

Berlin

Auf zahlreiche Bitten hin entschloss sich der 1921 gegründete Preußische Landesverband Jüdischer Gemeinden, parallel zu den Büchern, die an Bar Mizwa-Jungen verteilt wurden, auch Mädchen Buchgeschenke zukommen zu lassen. Das Lesematerial für Jungen zielte darauf ab, jüdisches Wissen zu vertiefen. Das Buch, das nur den Mädchen angeboten wurde, „Jüdische Mütter“ von Egon Jacobsohn und Leo Hirsch, reflektiert traditionelle Geschlechterrollen. Bereits im 19. Jahrhundert hatten reformorientierte Gemeinden in Deutschland eine kollektive Konfirmation für Mädchen und Jungen gemeinsam angeboten. Mancherorts war eine individuelle „Einsegnung“ der Mädchen üblich, aber eine moderne Bat Mizwa-Zeremonie, wie wir sie heute kennen, gab es 1938 nicht.

QUELLE

Institution:

New Synagogue Berlin – Centrum Judaicum

Sammlung:

Memorandum des Preußischen Landesverbandes Jüdischer Gemeinden an Mitgliedsgemeinden hinsichtlich der Geschenke für Mädchen anlässlich Konfirmation und Schulabschlusses sowie anlässlich der Bar Mitzvah für Jungen.

Original:

CJA, 2 A 2, Nr. 2749

Parochet, tiefblau

Die letzten Tages des Jüdischen Blindeninstituts in Wien

Wien

Diese dunkelblaue Parochet (Torahvorhang) gehört zur Sammlung des Israelitischen Blindeninstituts in Wien. Die Anstalt wurde 1871 mit dem Ziel gegründet, blinden jüdischen Schülern eine Berufsausbildung zu ermöglichen. Die von ihr vermittelten Berufe reichten von manuellen Tätigkeiten bis hin zum Übersetzen und Dolmetschen. Aufgrund ihres hervorragenden Rufes zog die Schule Schüler nicht nur aus Österreich, sondern fast aus dem gesamten europäischen Ausland an. Am 4. März erlebte die Institution einen ihrer letzten Tage ungestörter Aktivität.

QUELLE

Institution:

Jüdisches Museum Wien

Sammlung:

Parochet

Original:

Inv. Nr. 2837

Vertrauen in Kanzler Schuschnigg

Der Oberrabbiner Wiens zeigt sich optimistisch

„Wir hatten immer und haben auch weiterhin volles Vertrauen in unseren Kanzler, seine Offenherzigkeit, seine Unvoreingenommenheit und seine Ernsthaftigkeit. Dieses Vertrauen ist durch seine Erklärung am Donnerstag gestärkt worden indem er die Standhaftigkeit zur Verfassung vom Mai 1934 betonte.“

Wien

Ende Februar 1938 schien es für Österreichs Juden noch einige Hoffnungsschimmer zu geben: In einer Predigt in der Wiener Zentralsynagoge brachte Oberrabbiner Israel Taglicht das Vertrauen der österreichischen Juden gegenüber Kanzler Schuschnigg zum Ausdruck. Einige Tage vorher hatte der Kanzler versichert, Österreich werde an den Prinzipien der Verfassung vom Mai 1934 festhalten, die Juden Gleichheit vor dem Gesetz und Religionsfreiheit versprach. Etwa zur selben Zeit war der nazi-freundliche Bürgermeister von Graz entlassen worden, weil er über dem Rathaus die Hakenkreuzfahne hatte hissen lassen. Um Nazi-Demonstrationen zu verhindern, waren die Universität Graz und die Technische Hochschule vorübergehend geschlossen worden.

Drei jüdische Muttersprachen

Ein Tel-Aviver Schauspieler bringt „junge palästinensische Poesie“ nach New York

„Insbesondere seine hebräischen Programmnummern dürften stärkster Aufmerksamkeit begegnen, weil wohl noch kein Schauspieler in New York Bibel und moderne Poesie in hebräischer Sprache so vollendet vorgetragen hat.”

New York City

Nur wenige unter dem New Yorker Einwandererpublikum, das zu einer dreisprachigen Veranstaltung der Theodor Herzl Society erwartet wurde, waren je hebräischen Muttersprachlern begegnet: Kein Wunder also, dass der „Aufbau” annahm, der hebräische Teil werde die größte Attraktion darstellen. Der Künstler des Abends, der Schauspieler Albert Klar (Sklarz), geboren und aufgewachsen in Tel Aviv, hatte seine Karriere in Berlin unter namhaften Regisseuren wie Reinhardt und Piscator begonnen. Nach New York war er Dank der Einladung des großen jiddischen Schauspielers Morris Schwartz gelangt, der ihn an sein Yiddish Art Theatre engagiert hatte. Der Veranstaltungsort war Ansche Chesed, eine von deutschen Einwanderern gegründete Synagoge auf der Upper West Side.

Kaffeeklatsch im Frankfurt am Hudson

Ein neues Leben in Washington Heights, NYC

Bei Kaffee, Kuchen und Kartenspiel und einem gemütlichen Unterhaltungsprogramm werden die Anwesenden Gelegenheit haben, darüber zu sprechen, was sie bewegt.

New York

Zwischen der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 und dem Jahr 1938 waren etwa 16.000 Juden in die Vereinigten Staaten eingewandert. Viele deutsche Juden hatten sich in New York angesiedelt, vor allem im Stadtteil Washington Heights im Norden Manhattans, was ihm den Scherznamen „Frankfurt am Hudson“ einbrachte. Der Veranstaltungskalender des „German Jewish Club“ für den Monat Februar verzeichnet einen „Familienabend mit Kaffee-Klatsch“, der „künstlerische und musikalische Einlagen“ bietet. Die Veranstaltung ist auf die Bedürfnisse der älteren Mitglieder der Gemeinschaft abgestimmt als „Ersatz für Loge, Liederkranz, Resource und andere Vereine“ und verspricht den Teilnehmern die Gelegenheit, über die Dinge zu sprechen, die sie bewegen. Zusätzlich zu den kulturellen Veranstaltungen führt der massive Zustrom deutscher Juden zur Gründung zahlreicher neuer Synagogengemeinden, angefangen mit „Tikvoh Chadoshoh“: „Neue Hoffnung“.

Religion, Kultur und das Ringen um Menschenwürde

Die Synagoge der Prinzregentenstrasse im notgedrungenen Wandel.

Berlin

Diese Zeichnung zeigt das Innere der Synagoge Prinzregentenstraße in Berlin Wilmersdorf. Das 1930 erbaute Gebäude war darauf angelegt, die Bedürfnisse einer liberalen Gemeinde zu erfüllen. Wie auf dem Bild zu sehen, war die Synagoge mit einer prächtigen Orgel ausgestattet. Rabbiner Leo Baeck hielt die Festpredigt bei der Eröffnungszeremonie. Nach 1933, als die Juden mehr und mehr aus dem Kulturleben verdrängt zu werden begannen, wurde die Synagoge Prinzregentenstraße auch zu einem jüdischen Kulturzentrum.

Unerwartete Verbündete

Worte der Solidarität für Deutschlands Juden vom Nationalen methodistischen Studentenkongress der USA

„Die Nationale methodistische Studentenkonferenz hat eine Resolution verabschiedet, die schärfstens gegen die Verfolgung von Juden in Deutschland und anderswo protestiert.“ (Jewish Telegraphic Agency)

St. Louis, Missouri

Während die Methodisten in Deutschland eine Minderheit darstellten, waren sie im englischsprachigen Raum eine wichtige Glaubensgemeinschaft. Bereits 1933 begannen die Nazis ihre Führer zu umwerben und zu willigen Werkzeugen ihrer Propaganda in den Vereinigten Staaten zu machen: nicht genug damit, dass die methodistischen Bischöfe sich jeder Kritik enthielten, sie lobten explizit das, was sie als Erfolge der Nazis betrachteten. Vor diesem Hintergrund ist es umso bemerkenswerter, dass der Nationale Methodistische Studentenkongress die antijüdischen Maßnahmen Nazideutschlands verurteilte.

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