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Undankbares Vaterland

Ein ehemaliger Frontsoldat verliert sein Geschäft

Hamburg

Alle sechs Söhne des Hamburger Fabrikanten S. Anker gehörten zu den 85.000 jüdischen Soldaten, die im Ersten Weltkrieg für Deutschland in die Schlacht zogen. Unter den 12,000 jüdischen Gefallenen waren 457 Hamburger, darunter Heinrich und Richard Anker. Otto Anker, geb. 1883, überlebte schwer verwundet. Nachdem 1933 die Nazis an die Macht gewählt worden waren, verließen seine Söhne das Land und versuchten, auch ihre Eltern dazu zu bewegen. Doch als Träger des Eisernen Kreuzes und mit einer Nichtjüdin verheiratet, fühlte sich Otto Anker sicher. Die Dankbarkeit des Vaterlands hielt sich jedoch in Grenzen: 1938 wurde Ankers Betrieb „arisiert“. Dieser am 6. Dezember abgestempelte Ausweis Otto Ankers ist mit einem nicht zu übersehenden „J“ versehen.

QUELLE

Institution:

Leo Baeck Institute – New York | Berlin

Sammlung:

Sammlung Familie Anker, AR 5424

Original:

Archivbox 1, Ordner 1

Diskriminierung von Mischehen

Entlassung nach 25 Dienstjahren

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BERLIN

Der schwer kriegsversehrte Berliner Kriminalpolizei-Angestellte Ernst Patzer verlor im März 1938 seine Stellung. Der Grund dafür war das 1937 erlassene Deutsche Beamtengesetz, das „jüdisch Versippten“ die Arbeit im Staatsdienst verbot – und Patzer war seit 1925 mit einer deutschen Jüdin verheiratet. Dieser weitere Schritt des NS-Regimes, Juden und ihre Angehörigen aus allen Bereichen des Lebens zu verdrängen, traf das Ehepaar Patzer sehr hart: Er war Alleinverdiener und verlor nach 25 Dienstjahren nicht nur seine Stellung, sondern auch alle Pensionsansprüche. Dieses Schreiben vom 24. Oktober 1938 zeigt, wie Ernst Patzer Schritt für Schritt von öffentlicher Teilhabe ausgeschlossen wurde. Vergebens schrieb er als ehemaliger Frontsoldat an Hitler und Göring, um eine Weiterbeschäftigung in einer Behörde zu erwirken. Die Ehe blieb bestehen und er fand schließlich Arbeit als Rechnungsprüfer bei der Firma AEG. Den Nationalsozialismus hat das Ehepaar Patzer überlebt.

QUELLE

Institution:

Deutsches Historisches Museum

Sammlung:

Inv.Nr. Do 89/102II

Schrittweise Arisierung

Jüdische Ärzte sollen nun die Zulassung verlieren

„Die Anzahl der Juden, die von dieser neuen Verordnung betroffen sind, wird auf zwischen 6000 und 7000 geschätzt.”

Berlin

Der Anteil von Juden unter den deutschen Ärzten war so hoch, dass den Nazis anfänglich ein umfassendes Berufsverbot nicht opportun erschien. Einstweilen begnügten sie sich damit, durch die „Verordnung über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen“ vom 22. April 1933 „nicht-arischen“ Ärzten die Zulassung zur Arbeit in Zusammenhang mit den gesetzlichen Krankenkassen zu entziehen. Ausnahmen waren möglich, wenn sie bereits vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs praktiziert hatten oder beweisen konnten, dass sie selbst oder ihr Vater Frontkämpfer gewesen seien. Ab 1937 konnten Juden nicht länger den Doktortitel erwerben. In einer Nachricht vom 3. August weist die Jewish Telegraphic Agency auf die Vierte Verordnung zum Reichsbürgergesetz hin, die einige Tage zuvor erlassen worden war und laut der jüdische Ärzte mit Gültigkeit vom 30. September ihre Zulassung verlieren würden.

Die Hilfsstelle der Liga für Menschenrechte

„Diese Hunde von Hitler und Göring werden niemals gewinnen“

„Es stirbt halt nicht der jüd. Wohltätigkeitssinn aus und es wird diesen Hunden von Hitler und Göring nicht gelingen, dass die Emigranten in der Gosse krepieren.“

Brünn/Rischon LeZion

Hugo Jellinek war ein vielseitig begabter Mann. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zwang ihn, sein Medizinstudium abzubrechen. Als Soldat wurde er in Samarkand schwer verwundet und verliebte sich in die Krankenschwester, die ihn pflegte und später seine Frau und die Mutter seiner drei Töchter wurde. Das Paar siedelte sich in Taschkent (Usbekistan) an. Nach dem Tod seiner noch jungen Frau im Jahr 1926 floh er 1930 aus der Sowjetunion und kehrte schließlich nach Wien zurück. Dort machte er sich die acht Sprachen, die er beherrschte, als Übersetzer zunutze und arbeitete als freiberuflicher Jornalist. Dank einer Warnung bezüglich seiner bevorstehenden Festnahme gelang es ihm im Juni 1938, nach Brünn zu entkommen. Seine älteste Tochter Gisella Nadja brach am selben Tag nach Palästina auf. In diesem schillernden Brief zeigt Hugo väterliche Sorge um Nadjas Wohlbefinden, diskutiert aber auch ausführlich die eigenen Nöte als Flüchtling und vergisst nicht zu berichten, dass der Sohn seines Cousins im Konzentrationslager Dachau interniert sei. Mit Genugtuung erwähnt er die Arbeit der von ihm so genannten „Liga“ (gemeint ist wohl die Hilfsstelle der Liga für Menschenrechte), die sich um die Flüchtlinge kümmerte und damit Hitlers teuflischen Plänen trotzte. Letztendlich jedoch käme es vor allem darauf an, für einen eigenen Staat zu kämpfen.

Erschütterte Existenz

Wie leben mit dem Nationalsozialismus?

New York

Der erste größere Bruch in der Biographie des Künstlers Gustav Wolf war während des Ersten Weltkriegs geschehen: Er hatte sich freiwillig zum Dienst an der Front gemeldet und war schwer verwundet worden. Sein Bruder Willy war im Gefecht gefallen. Die Werke, in denen er seine Kriegserlebnisse verarbeitete, lassen keinen Zweifel an seinen Gefühlen: Statt den Krieg zu verherrlichen, zeigt er dessen Grauen. Die Begegnung mit dem Antisemitismus im Krieg und in der Folge führten zu einem verstärkten Bewusstsein um seine jüdische Identität. 1920 nahm er eine Professur an der Badischen Landeskunstschule in Karlsruhe an, wo er versuchte, sein Ideal eines gleichberechtigten Miteinanders von Lehrer und Schüler zu verwirklichen. Nach einem Jahr gab er diese „tote Tätigkeit“ an der Schule, die er als „Intriganten-Anstalt“ bezeichnete, auf. 1929 entwarf er die Ausstattung zu Fritz Langs Stummfilm „Die Frau im Mond“, einem frühen Science Fiction-Film. Nach der Machtübernahme durch die Nazis kündigte er seine Mitgliedschaft in sämtlichen Künstlervereinigungen auf, denen er angehört hatte. Bei der Badener Secession erklärte er es so: „Ich muss mich erst wieder zurechtfinden. Die Grundlagen meiner Existenz sind in Frage gestellt und erschüttert.“ Nach ausgedehnten Aufenthalten in der Schweiz, in Italien und Griechenland kehrte er 1937 nach Deutschland zurück. Der 26. Juni 1938 war sein 49. Geburtstag.

Ruhe bewahrt

Gestapo zieht unverrichteter Dinge ab

„Falls sie mich verhaften wollen, müssten sie auch meine zwei kleinen Buben, die ohne Pflege jetzt dastehen würden, mit mir mitnehmen, oder sie sollen circa 6 Wochen warten, bis meine Frau vom Krankenhaus zurück ist.“

Linz

Seit Adolph Markus am 20. April mit Verwandten in Wien die Möglichkeit der Auswanderung besprochen hatte, nahm er zwei bis dreimal wöchentlich in der Synagoge Englischunterricht. Am 29. April war sein Schwager von der Gestapo festgenommen worden, und die Spannung und Nervosität des Ehepaars Markus begann sich auf die Kinder zu übertragen. Zwei Wochen später war Frau Markus von der Gestapo bezüglich des Wertes ihres gesamten Besitzes, einschließlich eines Hauses, verhört worden. Schließlich, am 18. Juni, erschienen zwei Gestapo-Beamte in der Wohnung der Familie: Während sie den Inhalt einiger Schachteln durchgingen, versuchte einer der beiden, Adolph Markus zu inkriminieren, indem er ein kommunistisches Flugblatt zwischen seine Papiere schmuggelte. Markus brachte die Ruhe und Selbstsicherheit auf, die Beamten darauf hinzuweisen, dass er nie in irgendeiner Weise politisch aktiv gewesen sei. Sein Hinweis auf seinen Frontdienst im Ersten Weltkrieg, zusammen mit der Bemerkung dass sie, falls sie ihn festnehmen wollten, auch seine beiden kleinen Söhne würden mitnehmen müssen, da ihre Mutter im Krankenhaus sei, brachte sie von ihrem Vorhaben ab. Sie zogen ab – unter der Drohung, sechs Wochen später wieder zu kommen, falls er nicht aus eigenen Stücken das Land verließe.

Dekorierter Soldat, Pazifist und Kabarettist

Fritz Grünbaum wird im Konzentrationslager Dachau interniert

„Ich sehe nichts, absolut gar nichts, da muss ich mich in die nationalsozialistische Kultur verirrt haben.“

DACHAU

Nachdem er seine österreichischen Landsleute drei Jahrzehte lang zum Lachen gebracht hatte, wurde die Karriere des Kabarettisten Fritz Grünbaum durch den „Anschluss“ abrupt beendet. Seine Politik allein hätte genügt, ihn für das Regime untragbar zu machen: Grünbaum war aus dem Ersten Weltkrieg nicht nur als dekorierter Soldat, sondern auch als erklärter Pazifist zurückgekehrt. Was den Nationalsozialismus betraf, nahm er kein Blatt vor den Mund: Seit 1933 war er politischer geworden, und als 1938 während einer Vorstellung ein Stromausfall eintrat und die Lichter ausgingen, kommentierte er schlagfertig: „Ich sehe nichts, absolut gar nichts, da muss ich mich in die nationalsozialistische Kultur verirrt haben.“ Seinem letzten Auftritt im berühmten Kabarett Simpl in Wien am 10. März, zwei Tage vor dem „Anschluss“, folgte ein Auftrittsverbot für jüdische Künstler. Grünbaum und seine Frau Lilly, eine Nichte Theodor Herzls, versuchten in die Tschechoslowakei zu fliehen, wurden jedoch an der Grenze zurückgewiesen. Am 24. Mai wurde er im Konzentrationslager Dachau interniert. – Grünbaum war auch als ernsthafter Kunstsammler vor allem modernistischer österreichischer Werke und als Librettist bekannt.

QUELLE

Institution:

Jüdisches Museum Wien

Original:

Fritz Grünbaum auf dem Appellplatz in Dachau; Inv. Nr. 24631

Schneller und schneller

Leo Baeck wird 65

„Dieses Jahr wird ein schwieriges sein; das Rad dreht sich schneller und schneller. Es wird unsere Nerven und unsere Fähigkeit zu sorgfältigem Nachdenken auf die Probe stellen.“

Berlin

Bereits in April 1938 hatte Rabbiner Leo Baeck, der Präsident der Reichsvertretung der Juden in Deutschland und damit der Hauptrepräsentant des deutschen Judentums weitsichtig geschrieben: „Dieses Jahr wird ein schwieriges sein; das Rad dreht sich schneller und schneller. Es wird unsere Nerven und unsere Fähigkeit zu sorgfältigem Nachdenken auf die Probe stellen.“ Baeck hatte als Feldgeistlicher im Ersten Weltkrieg gedient und muss als Patriot vom erzwungenen Niedergang des deutschen Judentums tief getroffen gewesen sein. Angesichts der Verarmung weiter Teile der jüdischen Bevölkerung, der Beschneidung jüdischer Rechte und der Abdrängung der Juden an den Rand der Gesellschaft und keinerlei Aussicht auf Besserung war Leo Baecks 65. Geburtstag am 23. Mai vermutlich eine triste Angelegenheit.

Gnadenlos

Göring fordert strikten anti-jüdischen Boykott

„(...) einen "gnadenlosen anti-jüdischen Boykott", bis der letzte Jude gezwungen ist, Österreich zu verlassen.“

Wien

In ihrer heutigen Ausgabe berichtet die Jewish Telegraphic Agency, das „Deutsche Volksblatt“ in Wien dränge zu einem „gnadenlosen anti-jüdischen Boykott“. Dies, so das Blatt, sei die von Hermann Göring in seiner jüngsten Rede in Wien geforderte Linie. Als im Ersten Weltkrieg hoch dekorierter Jagdflieger war Göring frühzeitig der NSDAP beigetreten und gehörte dem inneren Kreis an. 1933 baute er die Geheime Staatspolizei auf, er war Oberbefehlshaber der Luftwaffe, und als Bevollmächtigter des Vierjahresplans übte er Kontrolle über die deutsche Wirtschaft aus. Darüber hinaus ist er für seine zentrale Rolle in der Durchsetzung des „Anschluss“ und als leidenschaftlicher Sammler von Kunstwerken bekannt, die er sich nicht selten auf dubiose Weise aneignete.

Der „Arier-Nachweis“

Dirigent Erich Erck leitet das Orchester des Jüdischen Kulturbunds

MÜNCHEN

Seit dem Inkrafttreten des sogenannten „Arier-Paragraphen“ im „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 waren bestimmte Berufsgruppen zum Nachweis ihrer „rein arischen Abstammung“ verpflichtet, um weiterhin ihren Beruf ausüben zu können. Auch der 38-jährige Chirurg Dr. Walter Bernhard Kunze aus Freiberg in Sachsen musste für den „Arier-Nachweis“ einen Fragebogen über seine Abstammungslinie ausfüllen. Der Fragebogen vom 15. Mai 1938 enthält personenbezogene Angaben bis in die Generation seiner Großeltern. Diesem waren die entsprechenden standes- und pfarramtlichen Unterlagen beizulegen. Die Einholung der zahlreichen Abschriften aus den Kirchen- und Gemeindeämtern der Geburts- und Wohnorte der Vorfahren bedeutete für den einzelnen oft einen sehr hohen Verwaltungsaufwand. Der „Arier-Nachweis“ war ein wirksames Instrument der NS-Rassenpolitik, durch welches als „Nichtarier“ angesehene Personen stigmatisiert und zunehmend aus der Gesellschaft ausgegrenzt wurden.

QUELLE

Institution:

Jüdisches Museum Berlin

Original:

Erich Eisner als Dirigent in der Liberalen Synagogoe München, Sammlung Erich Eisner, Schenkung von Manfred Eisner

Vorerst verschont

Ehemailige Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs genießen zeitweiligen Schutz

Wien

Adolph Markus, seine Frau und zwei Kinder gehörten zu den relativ wenigen von Österreichs etwa 200.000 Juden, die nicht in Wien lebten. Am 20. April 1938 fuhr Markus in die Hauptstadt, um seine Familie zu besuchen, die schwierige Situation zu besprechen und Auswanderungsmöglichkeiten zu diskutieren. Während sein Bruder Rudi jeden Tag damit rechnen musste, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, meinte er, Adolph habe als Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs nichts zu befürchten. Tatsächlich waren ehemalige Frontkämpfer und Juden, die ihren Vater oder einen Sohn im Kampf für Deutschland oder seine Verbündeten verloren hatten, von gewissen anti-jüdischen Maßnahmen ausgenommen.

Ein Brief von zu Hause

Mit dem Anschluss Österreichs geht eine befriedete Welt verloren

Wien/Tannwald

Für Arthur Wolf, einen glühenden österreichischen Patrioten und Veteranen des 1. Weltkriegs, bedeutete die Machtübernahme der Nazis in Österreich den Zusammenbruch seiner Welt, den Verlust von Heimat und Gleichheit und den Beginn einer Existenz als „Wandernder Jude“. Wolf war Direktor einer Textilfabrik in Tannwald (damals Tschechoslowakei). Seine in Russland geborene Frau Maria war mit dem Sohn des Paares, Erich (geb. 1923), in Österreich zurückgeblieben. Angesichts der jüngsten Ereignisse ist der Ton von Marias Brief vom 19. April bemerkenswert spielerisch: Sie schwärmt von den Gedichten des fünfzehnjährigen Erich, spricht mit warmen Worten über ihre Mutter-Sohn-Beziehung und drückt ihre Sehnsucht nach Arthur aus, während sie eine offensichtliche Bezugnahme auf das Tagesgeschehen vermeidet.

QUELLE

Institution:

Leo Baeck Institute – New York | Berlin

Sammlung:

Sammlung Arthur Wolf, AR 25270

Original:

Archivbox 2, Ordner 5

Glück im Unglück

Eine Geschäftsreise hält Alfred Schütz im sicheren Ausland

„Es ist auch nach allen Erfahrungen nur zu berechtigt, wenn ihre Frau in der Korrespondenz höchst vorsichtig ist und Sie bittet, es ebenso zu sein. Der Verdacht der Verbreitung von ‘Greuelnachrichten’ genügt, um einen in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen“.

London

Alfred Schütz, ein Weltkriegsveteran, hatte an der Universität Wien Jura, Soziologie und Philosophie studiert. Seit Ende der zwanziger Jahre war er bei dem Internationalen Bankhaus Reiter & Co angestellt. Während des deutschen Einmarsches in Österreich war er zufällig auf Geschäftsreise in Frankreich. Er entschloss sich, im Ausland zu bleiben. Ein Freund, der von London aus Wien besucht hatte, schreibt über sein Gespräch mit Schütz‘ Ehefrau Ilse. In seinem Brief rät er Schütz davon ab, nach Österreich zurückzukehren, da das neue Regime dem internationalen Bankwesen gegenüber misstrauisch sei. Angesichts der drohenden Gefahr erschien es Schütz als bessere Option, sich vorübergehend von der Familie zu trennen, als in seine Heimatstadt zurückzukehren.

QUELLE

Institution:

Leo Baeck Institute – New York | Berlin

Sammlung:

Sammlung Alfred Schutz, AR 25500

Original:

Archivbox 1, Ordner 18

Der Existenzgrundlage beraubt

Rechtsanwälte und Marktverkäufer erhalten Berufsverbot

Wien

Laut diesem Bericht der Jewish Telegraphic Agency stellte der 3. April 1938 eine weitere Wegmarke im Prozess der Beschränkung der Berufsfreiheit der österreichischen Juden dar: Von diesem Tag an konnte das Justizministerium nach Belieben jüdischen Rechtsanwälten die Lizenz aberkennen, ausgenommen diejenigen, die ihre Zulassung vor 1914 erhalten hatten oder Frontkämpfer oder unmittelbare Verwandte im Weltkrieg gefallener Soldaten waren. Es wurde geschätzt, dass 800 bis 900 Rechtsanwälte von der neuen Bestimmung betroffen waren. Eine weitere Berufsgruppe, die unter der Nazipolitik zu leiden hatte, war die der Marktverkäufer: Juden, die bewegliche oder feste Marktstände betrieben, war es nicht länger gestattet, auf diese Weise ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Auch waren in der kurzen Zeit seit der Machtübernahme durch die Nazis bereits „Arisierungen“ von Fabriken in jüdischem Besitz erfolgt.

Eine gewöhnliche Trauerrede in einer Zeit grosser Verluste

Max Kirschner erinnert an Hedwig Waller

Frankfurt am Main

Gerade 20 Jahre waren vergangen seit Ende des Ersten Weltkriegs, in dem Max Kirschner, ein in Frankfurt am Main ansässiger Arzt, mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden war – bemerkenswerter Weise dafür, dass er feindlichen Infanteristen zur Seite gestanden hatte. Doch die Tatsache, dass Kirschner als einer von 100.000 deutschen Juden, von denen 12.000 ihr Leben ließen, im Krieg für Deutschland gekämpft hatte, nützte ihm nicht: 1938 wurde ihm, wie allen anderen jüdischen Ärzten, die Approbation entzogen. In seiner Trauerrede für Hedwig Wallach, die einer alteingesessenen Frankfurter Familie entstammte, pries er deren Hingabe an ihren Mann, ihr lebhaftes Interesse an ihren Kindern und die stille Tapferkeit, mit der sie ihre Krankheit ertragen hatte.

QUELLE

Institution:

Jüdisches Museum Berlin

Sammlung:

Rede von Max Kirschner anlässlich der Beerdigung von Hedwig Wallach

Original:

Sammlung Familie Kirschner

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