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Hitler auf Heimatbesuch

Adolph Marcus hält seine Eindrücke im Tagebuch fest

„Die Angst unter dem Personal wächst von Tag zu Tag [...]“.

Linz

Vom 12. bis zum 14. März hatte sich Hitler in Linz aufgehalten, das er seit seinen dort verbrachten Jugendjahren als seine Heimatstadt betrachtete. In seiner Rede an die Bevölkerung der Stadt hatte er sich zum Vollstrecker des Volkswillens stilisiert und den „Opferwillen“ der deutschen Soldaten und die „Größe und Herrlichkeit“ des deutschen Volkes beschworen. Viele unter seinem Publikum reagierten begeistert, andere wurden von Furcht ergriffen. Mit zwei Sätzen gelingt es Adolph Markus, die angstvolle Atmosphäre an seinem Arbeitsplatz in Linz Tage nach dem „Anschluss“ einzufangen.

„Entartet“

Nazi-Deutschland bricht mit der Moderne

München

Mit der 1937 initiierten Wanderausstellung „Entartete Kunst“ versuchten die Nazis anhand von 650 aus 32 Museen konfiszierten Kunstwerken der Bevölkerung ihre eigene Kunstvorstellung aufzuzwingen: Neuere Strömungen wie Expressionismus, Surrealismus oder Fauvismus, um nur einige zu nennen, galten ihnen als „jüdisch-bolschewistisch“ und wurden gnadenlos verunglimpft. Das hier gezeigte Titelblatt des Ausstellungsführers zeigt ein Werk mit dem Titel „Großer Kopf“ aus der Werkstatt des deutsch-jüdischen Künstlers Otto Freundlich, eines der ersten Vertreter der abstrakten Kunst. Das Werk war 1912 entstanden und hatte einen erhofften geistigen Neubeginn symbolisieren sollen. Abgesehen von Freundlichs jüdischer Abkunft und seinen künstlerischen Neigungen war er als Kommunist auch politisch missliebig.

Jahreschronik 1938

Von Schuschnigg beschwört die Unabhängigkeit Österreichs

Porträt von Kurt von Schuschnigg in seinem Büro. Encyclopedia Brittanica.

Kurt von Schuschnigg beschwört die Unabhängigkeit Österreichs in einer dramatischen Rede vor dem Parlament. Der Kanzler Österreichs betont die Treue der Regierung, einschliesslich der nationalsozialistischen Minister Seyß-Inquart und Glaise-Horstenau, zur Verfassung von 1934. Die Ansprache wird von mehreren europäischen und amerikanischen Sendern übertragen. „Bis hierher und nicht weiter! [. . .] Bis in den Tod! Rot-Weiß-Rot! Österreich!“, warnt der Kanzler die österreichischen und deutschen Nationalsozialisten, die ein Bündnis suchen.

Zur Jahreschronik 1938

Tel Aviv, Bauhaus, und „Die Große Illusion“

Die Ben-Jehuda-Straße in Tel Aviv

Tel-Aviv

Diese Ansicht der Ben-Jehuda-Straße in Tel-Aviv zeigt im Hintergrund einige der typischen Gebäude, denen es den Beinamen „Die weiße Stadt“ verdankt: Seit 1933 und besonders nach dem Inkrafttreten des „Reichsbürgergesetzes“ 1935 hatten sich Architekten im Land angesiedelt, die zum Teil im Bauhaus ausgebildet worden waren und nun Tel-Aviv ihren Stempel aufdrückten – entweder durch eigene Schöpfungen oder durch ihren Einfluss auf Kollegen. Dominiert wird das Foto durch das Migdalor-Gebäude, das 1935 errichtet wurde und das erste klimatisierte Kino der Stadt beherbergte. Auf der Außenwand ist Werbung für Jean Renoirs 1937 entstandenen Film „Die große Illusion“ zu sehen, der aufgrund seiner pazifistischen Botschaft in Deutschland verboten war.

Jahreschronik 1938

Eröffnung des Hafens von Tel Aviv

Eröffnung des Tel-Aviver Hafens. Nationale Fotografische Sammlung Israels.

Der Hafen Tel Avivs wird fertiggestellt und offiziell eingeweiht. Als das arabische Jaffa seinen Hafen 1936 als Gegenreaktion auf die steigende Zahl jüdischer Immigranten schloss, eröffnete Tel Aviv Sha’ar Zion, das Zionstor. Der Hafen operierte die ersten zwei Jahre in begrenztem Umfang. Seine logistische und symbolische Bedeutung für die vor den Nationalsozialisten fliehenden Juden kann jedoch nicht überschätzt werden. Im April 1938 geht nach Monaten der Frachtnutzung der erste Passagier an Land. Zwei Jahre später, als eine Flucht aus Deutschland kaum mehr möglich ist und der Zweite Weltkrieg begonnen hatte, wird der Hafen auschliesslich militärisch genutzt.

Zur Jahreschronik 1938

Kaffeeklatsch im Frankfurt am Hudson

Ein neues Leben in Washington Heights, NYC

Bei Kaffee, Kuchen und Kartenspiel und einem gemütlichen Unterhaltungsprogramm werden die Anwesenden Gelegenheit haben, darüber zu sprechen, was sie bewegt.

New York

Zwischen der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 und dem Jahr 1938 waren etwa 16.000 Juden in die Vereinigten Staaten eingewandert. Viele deutsche Juden hatten sich in New York angesiedelt, vor allem im Stadtteil Washington Heights im Norden Manhattans, was ihm den Scherznamen „Frankfurt am Hudson“ einbrachte. Der Veranstaltungskalender des „German Jewish Club“ für den Monat Februar verzeichnet einen „Familienabend mit Kaffee-Klatsch“, der „künstlerische und musikalische Einlagen“ bietet. Die Veranstaltung ist auf die Bedürfnisse der älteren Mitglieder der Gemeinschaft abgestimmt als „Ersatz für Loge, Liederkranz, Resource und andere Vereine“ und verspricht den Teilnehmern die Gelegenheit, über die Dinge zu sprechen, die sie bewegen. Zusätzlich zu den kulturellen Veranstaltungen führt der massive Zustrom deutscher Juden zur Gründung zahlreicher neuer Synagogengemeinden, angefangen mit „Tikvoh Chadoshoh“: „Neue Hoffnung“.

Gefahr im Verzug

Das Tagebuch eines Linzer Juden füllt sich mit dunklen Vorahnungen

„Unterdessen nehmen die Nazidemonstrationen immer größere Formen an, so dass man die immense Gefahr, die jetzt Österreich droht, immer näher kommen sieht.“

Linz

Am 12. Februar, dem Tag, an dem Hitler dem österreichischen Bundeskanzler Schuschnigg das „Berchtesgadener Abkommen“ aufzwang, hatte der Österreicher Adolph Markus begonnen, ein Tagebuch zu führen. Das Abkommen forderte die Freilassung inhaftierter Nationalsozialisten, garantierte den österreichischen Nationalsozialisten freie Betätigung und ihren politischen Vertretern ein größeres Maß an Beteiligung an Regierungsgeschäften. Markus war zum Zeugen des aggressiven Benehmens der Freigelassenen und ihres Empfangs durch Sympathisanten auf den Straßen von Linz geworden. In seinem Tagebucheintrag vom 20. Februar hält er die Geschehnisse des Tages fest und lässt seine Sorge um sein Land erkennen.

Religion, Kultur und das Ringen um Menschenwürde

Die Synagoge der Prinzregentenstrasse im notgedrungenen Wandel.

Berlin

Diese Zeichnung zeigt das Innere der Synagoge Prinzregentenstraße in Berlin Wilmersdorf. Das 1930 erbaute Gebäude war darauf angelegt, die Bedürfnisse einer liberalen Gemeinde zu erfüllen. Wie auf dem Bild zu sehen, war die Synagoge mit einer prächtigen Orgel ausgestattet. Rabbiner Leo Baeck hielt die Festpredigt bei der Eröffnungszeremonie. Nach 1933, als die Juden mehr und mehr aus dem Kulturleben verdrängt zu werden begannen, wurde die Synagoge Prinzregentenstraße auch zu einem jüdischen Kulturzentrum.

Alles möglich im Theater

Im Theater des Berliner Kulturbunds gewinnt der Machtlose über seinen Gegenspieler.

Berlin

Mit Adolphe Adams komischer Oper „Wenn ich König wär“ und Ladislaus Bus-Feketes Schauspiel „Kap der Guten Hoffnung“ bot der Berliner Kulturbund seinen Gästen heitere Ablenkungen von der schwierigen Situation. Sicher war das jüdische Publikum in Berlin im Jahr 1938 empfänglich für eine Oper, in der der machtlose aber ehrliche Held gewinnt und der Bösewicht seine wohlverdiente Strafe bekommt.

Normalität per Spielplan

Die Berliner jüdische Gemeinde: Zwischen praktischen und intellektuellen Bedürfnissen

Berlin

Die Januar-Ausgabe des Monatsblattes des Berliner Kulturbunds vermittelt ein Gefühl der Normalität: lokale Geschäfte werben für Waren und Dienstleistungen wie Kosmetikartikel, Damenmode und Autoreparaturen, während beim Kulturbund Eugene Scribes „Zweikampf der Liebe“ auf dem Spielplan steht. Die Komödie muss für eine willkommene Atempause von der besorgniserregenden Situation gesorgt haben.

„Gibt’s einen, der verlässlich ist?“

Theater als letzte kulturelle Zufluchtstätte

Berlin

Während Juden in Deutschland festgenommen oder zum Verlassen des Landes gezwungen wurden, gehörten die Aufführungen der Zweigstellen des Jüdischen Kulturbunds zu den wenigen Zufluchtsorten, wo Juden wie früher in den Genuss von Kultur kommen konnten. In der Spielzeit 1937/38 führte der Jüdische Kulturbund Berlin u.a. Tschaikowskis Eugen Onegin (Regie: Dr. Kurt Singer) und Scribes Zweikampf der Liebe (Regie: Fritz Wisten) auf. Seit 1935 war die Spielstätte des Kulturbunds das Theater in der Kommandantenstraße 57 (Kreuzberg), dem früheren Herrnfeld-Theater, in dem einst jüdisches Boulevard-Theater gespielt worden war.

Wo Kraft und Freude fliessen

„Eine Stätte der Sammlung, der Erhebung und damit auch der Lebensbejahung und -freudigkeit“: Das neue jüdische Gemeinschaftshaus in Hamburg

„Wir sind verantwortlich für die Geister und Gemüter der Menschen, die nicht zertreten werden dürfen in den Nöten und Sorgen des Alltags, die nicht zermalmt werden dürfen von dem Kleinkrieg des Lebens, die nicht verloren gehen dürfen in trüber Luft und in unruhigem Treiben.“

Hamburg

In seiner Eröffnungsrede bei der Einweihungszeremonie für das neue jüdische Gemeinschaftszentrum in Hamburg beschreibt Max M. Warburg, Sohn einer berühmten Bankiersfamilie, die Herausforderungen, vor denen die Gemeinschaft steht und formuliert die Aufgabe des Gebäudes und seiner Leitung. Warburg, der das Theater nicht nur als Quelle von „Erhebung und Freude“ sondern auch von „moralischer Kraft“ versteht, erklärt, das Gemeinschaftshaus solle in erster Linie den Aufführungen der Musiker und Schauspieler des Jüdischen Kulturbunds eine Heimstätte bieten.

Künstlerische Gängelung

Werner Dambitsch und sein „Excentric Jazz Orchestra"

Dieser Ausweis berechtigt zur Mitwirkung bei jüdischen Veranstaltungen. Der Inhaber ist zur Betätigung zugelassen, ohne dass der Reichsverband für eine Beschäftigung garantiert.

Breslau/ Berlin

Werner Wilhelm Dambitsch wurde am 23. Juni 1913 in Breslau (heute Wrocław, Polen) geboren. Von frühester Jugend an war Werner an Musik interessiert, aber sein erstes Instrument, ein Saxophon, musste sich der Neunzehnjährige 1932 mit selbstverdientem Geld kaufen. Gemeinsam mit vier Freunden gründete er das “Excentric [sic] Jazz Orchester”. Um auftreten zu können, musste die Combo dem “Reichsverband der jüdischen Kulturbünde in Deutschland” beitreten und wurde gezwungen, sich in “Erstes jüdisches Jazz-Orchester” umzubenennen. Während die Organisation kein geregeltes Einkommen und Beschäftigung garantierte, ermöglichte sie den Künstlern doch zumindest, bei Veranstaltungen für das jüdische Publikum aufzutreten.

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