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Pseudo-Wahlen

Österreicher stimmen ohne Juden nachträglich über den Anschluss ab

„Wer das Stimmrecht ausübt, trotzdem er vom Stimmrecht ausgeschlossen ist oder ihm bekannt ist, dass er von mindestens drei volljüdischen Großeltern abstammt, oder aber als Mischling (mindestens zwei jüdische Großeltern) mit einer jüdischen Person verheiratet ist, hat diesen Wahlausweis sofort an das Gemeindeamt zurückzusenden und von der Wahl fernzubleiben. Andernfalls setzt er sich schwerer Bestrafung aus“.

WIEN

Der Einmarsch deutscher Truppen in Österreich am 12. März war der von Kanzler Schuschnigg für den 13. März geplanten Volksabstimmung über die Vereinigung mit Deutschland zuvorgekommen. Die Nazis, nun im Besitz der Macht, verschoben die Volksabstimmung auf den 10. April in Verbindung mit den ersten gesamtdeutschen Reichstagswahlen. Katholische Bischöfe unter der Führung Erzbischof Theodor Innitzers hatten eine „feierliche Erklärung“ abgegeben, in der sie katholische Wähler aufriefen, für den „Anschluss“ zu stimmen. Laut offiziellen Angaben bestätigten nahezu 100% der Wähler, was bereits eine vollendete Tatsache war. Das hier gezeigte Dokument ist ein Wählerausweis zur ausschließlichen Benutzung des auf der Vorderseite angegebenen Empfängers. Es schließt Juden explizit von der Teilnahme aus.

QUELLE

Institution:

Jüdisches Museum Wien

Sammlung:

Wahlausweis zur Volksabstimmung am 10. April 1938 (Nr. 225)

Original:

Inv. Nr. 26028/9

Meinungsumschwung

Pfarrer Breckle fällt den Juden in den Rücken

"Niemand hat die Juden in die europäischen Länder eingeladen. Sie kamen als ungeladene Gäste und haben sich in allen öffentlichen Berufen so sehr in den Vordergrund gedrängt, und nicht unbedingt durch hervorrangende Leistungen, dass man zumindest sagen kann, dass sich ein großes Missverhältnis entwickelt hat."

WIEN

In der neuen Realität Österreichs konnten sich die Meinungen, auch die von Beamten, mitunter recht schnell ändern. Dies blieb internationalen Beobachtern nicht verborgen. In einer Pressenotiz vom 8. April meldet die Jewish Telegraphic Agency, ein katholischer Geistlicher, Pfarrer Breckle von der Dreifaltigkeitskirche in Wien, habe Juden in einem Artikel in „Katholische Aktion“ als „ungeladene Gäste“ in Europa bezeichnet und sie beschuldigt, sich „in den Vordergrund zu drängen“. Hitlers Vorgehensweise habe er als „frei und menschlich“ sowohl den „Ariern“ als auch den Juden gegenüber bezeichnet. Breckle habe seine Ansichten erst in jüngster Zeit geändert und zuvor als der jüdischen Gemeinde gegenüber freundlich gegolten.

Ausdruckstanz

Jüdischer Kulturbund präsentiert Elsa Caro

Hamburg

Die Veranstaltung des Jüdischen Kulturbunds am 6. April war dem Tanz gewidmet: Elsa Caro, auch unter ihrem Künstlernamen Juana Manorska bekannt, benutzte anspruchsvolle Werke, die ursprünglich nicht als Tanzmusik gedacht waren, als Inspiration für ihre Darbietungen. Bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts war manchen das festgelegte, formelhafte Bewegungsrepertoire des klassischen Balletts einschränkend und überholt erschienen. Deutsche Tänzerinnen, unter ihnen die „Halbjüdin“ Gret Palucca, waren an der Spitze derer, die mit neuen Formen experimentierten, eine Bewegung, die den „Ausdruckstanz“ hervorbrachte, der auch als „expressionistischer Tanz“ oder „moderner Tanz“ bezeichnet wird. Auch Elsa Caro gehörte ihr an.

QUELLE

Institution:

Leo Baeck Institute – New York | Berlin

Sammlung:

Sammlung Jüdische Gemeinde Hamburg, AR 193

Original:

Archivbox 1, Ordner 4

Die Grenzen des Einzelnen

Fritz Machlup signalisiert Bedenken und Hilfsbereitschaft

„Gestern, an einem einzigen Tage, erhielt ich sage und schreibe 11 Ersuchen um Einwanderungsaffidavits, darunter die Ersuchen von gemeinsamen Freunden“.

Buffalo, New York/Wien

Dank eines Rockefeller-Stipendiums, das 1933 an ihn vergeben worden war, hatte der herausragende Wiener Volkswirtschaftler Fritz Machlup Österreich Jahre vor dem „Anschluss“ verlassen. 1935 erhielt er eine Professur für Volkswirtschaftslehre an der Universität Buffalo. Es überrascht nicht, dass Freunde und Kollegen ihre Hoffnungen darauf setzten, ihn als Bürgen zu gewinnen, als die Nazis in Österreich Fuß zu fassen begannen. In diesem Brief vom 5. April an seinen Freund Alfred Schütz äußert er die Sorge, seine Hilfsversprechen, so vielen gegeben, würden an Glaubwürdigkeit verlieren. Er fügt aber dennoch ein Schreiben bei, in dem er Schütz anbietet, ihm bei der Niederlassung in den Vereinigten Staaten behilflich zu sein.

QUELLE

Institution:

Leo Baeck Institute – New York | Berlin

Sammlung:

Sammlung Alfred Schutz, AR 25500

Original:

Archivbox 1, Ordner 17

Vorreiterrolle

USA ergreift Initiative für Flüchtlinge

Washington, D.C.

Am 4. April 1938 traf Arthur Sweetser, Mitglied des Sekretariats des Völkerbunds, mit US-Präsident Franklin D. Roosevelt zusammen. Bei dem Treffen diskutierten die beiden Männer die Situation deutscher und österreichischer Juden, die dringend Wege zur Auswanderung suchten. Roosevelt erwähnte die Idee, eine internationale Konferenz abzuhalten. Sein Gedankengang war einfach: Nur unter der entschlossenen Führung der USA konnte das Problem gelöst und andere Länder überredet werden, jüdische Flüchtlinge aufzunehmen. Es bleibt umstritten, ob die Idee einer gemeinsamen Diskussion der Situation der Juden unter dem Naziregime von Roosevelt selbst ausging oder von hochrangigen Beamten des US-Außenministeriums.

Karl Bonhoeffer empfiehlt

Der Vater von Klaus und Dietrich steht für eine Kollegin ein

„Sie besitzt außergewöhnliche diagnostische Fähigkeiten. Ihre Arbeitsenergie ist groß. Sie ist vertrauenswürdig und zuverlässig im medizinischen Dienst. Diese Eigenschaften sind es, die ihr die Bewunderung der Ärzte und das Vertrauen ihrer Patienten erwarben.“

Berlin

Prof. Karl Bonhoeffer, ein Psychiater und Neurologe sowie der Vater zweier prominenter Gegner des NS-Regimes, Klaus und Dietrich Bonhoeffer, lehrte an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin und leitete die Abteilung für psychische und Nervenkrankheiten an der Charité. In diesem Empfehlungsschreiben – in englischer Sprache zum Gebrauch im Exil abgefasst – lobt Bonhoeffer die herausragenden Leistungen seiner jüdischen Kollegin Dr. Herta Seidemann. Während seine Einstellung zu gewissen Programmen der Nazis (z.B. Zwangssterilisierung von Erbkranken und Euthanasie) umstritten ist, steht sein Einsatz für verschiedene jüdische Kollegen außer Zweifel.

QUELLE

Institution:

Leo Baeck Institute – New York | Berlin

Sammlung:

Sammlung Herta Seidemann, AR 25060

Original:

Archivbox 1, Ordner 5

Ein zweites Salzburg?

Max Reinhardt baut sich eine neue Existenz in Kalifornien

Hollywood

Der österreichische Theater- und Filmregisseur Max Reinhardt emigrierte im Oktober in die Vereinigten Staaten, begleitet von seiner Frau, der Schauspielerin Helene Thimig. Durch technische Neuerungen und die Erhöhung des Status des Regisseurs spielte Reinhardt eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des modernen Theaters. Mit seiner „Jedermann“-Inszenierung wurde er 1920 zum Mitbegründer der Salzburger Festspiele. Kurz nachdem er sich in den Vereinigten Staaten niedergelassen hatte, kamen Pläne auf, in Kalifornien ein „zweites Salzburg“ zu gründen – diesmal „unter günstigeren klimatischen und politischen Bedingungen, und vielleicht mit größeren finanziellen Mitteln“, wie er – auf Englisch – an Toscanini schrieb. Unter seinen Errungenschaften in den USA waren die Inszenierung von Werfels „The Eternal Road“ (englische Version von „Der Weg der Verheißung“) und die Einrichtung des Max Reinhardt Workshop for Stage, Screen and Radio, einer Theater- und Filmakademie in Hollywood (1937-39). Vom amerikanischen Publikum hielt er nicht viel.

In der Heimat verloren

Österreichische Juden und das US-Konsulat in Wien

„Hunderte kamen in der Annahme, die Vereinigten Staaten seien bereit, die Überfahrt von 20.000 Einwanderern zu genehmigen und zu finzieren. Vertreter des Konsulats wandten sich an Gruppen von Antragstellern, um ihnen den tatsächlichen Sachverhalt zu erklären“.

Wien

In einem weiteren dramatischen Bericht aus Österreich beschreibt die „Jewish Telegraphic Agency“ verängstige Juden, die in der fehlgeleiteten Hoffnung auf Unterstützung in das Konsulat der Vereinigten Staaten strömten. Gerade prominente Juden mussten mit Schikanen und Festnahme durch die Gestapo rechnen. Führende Persönlichkeiten des österreichischen Judentums waren gezwungen, die Polizei über ihre Aktivitäten zu unterrichten, während es ihren deutschen Amtskollegen aufgrund eines Einreiseverbots für Juden unmöglich war, ihnen einen Solidaritätsbesuch abzustatten. Des Weiteren berichtet die JTA, die Situation tausender jüdischer Schauspieler sei mittlerweile dermaßen verzweifelt, dass selbst der nationalsozialistische Beauftragte des österreichischen Bühnenvereins eine Kampagne zu ihren Gunsten zulasse.

Soma Morgenstern

Ein Universalist lässt alles zurück und trifft im Exil auf einen alten Freund

Wien/Paris

Soma Morgenstern war promovierter Jurist, doch er zog es vor, seinen Lebensunterhalt als Schriftsteller und Journalist zu verdienen und schrieb Feulliettons über Musik und Theater. Der gebürtige Ost-Galizianer beherrschte mehrere Sprachen, darunter Ukrainisch und Jiddisch. Er schrieb in deutscher Sprache. Nach seiner Entlassung 1933 von der Frankfurter Zeitung, deren Kulturkorrespondent er gewesen war, hielt er sich mühsam mit journalistischen Gelegenheitsarbeiten über Wasser. Die Annexion Österreichs an Nazi-Deutschland machte seine Situation vollends untragbar: In die Emigration gezwungen, hinterließ er seine Ehefrau, ein Kind und zahlreiche Manuskripte. Am 23. März war er bereits im sicheren Paris, wo er mit einem weiteren berühmten galizianer Exilanten, seinem alten Freund, dem Schriftsteller Joseph Roth, im Hôtel de la Poste wohnte.

Frauenrechte sind Menschenrechte

Der Jüdische Frauenbund berät junge Frauen bei der Ausreise

Berlin

Lange Zeit war die Sicherstellung der Würde und Unabhängigkeit jüdischer Frauen und ihr Schutz vor Menschenhändlern ein zentrales Anliegen des Jüdischen Frauenbundes. Der 1904 gegründete Verein unterstützte junge Frauen, in dem er es ihnen ermöglichte, eine Berufsausbildung absolvieren. Inzwischen hatten sich andere Themen in den Vordergrund gedrängt: Am 22. März lud die Gruppe berufstätiger Frauen innerhalb des Bundes, vertreten durch Käthe Mende, zu einem „Aussprache-Abend“ für weibliche Jugendliche ein, bei dem Berufs- und Auswanderungsfragen diskutiert werden sollten. Die Gastrednerin war Lotte Landau-Türk; Prof. Cora Berliner, eine frühere Angestellte im Reichswirtschaftsministerium und Professorin für Wirtschaftswissenschaften, die nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 aus dem Staatsdienst entlassen worden war, moderierte die Diskussion.

QUELLE

Institution:

New Synagogue Berlin – Centrum Judaicum

Sammlung:

Einladung zu einer Veranstaltung der Gruppe berufstätiger Frauen im Verband Berlin des Jüdischen Frauenbundes zum Thema „Berufs- und Auswanderungsfragen für die weibliche Jugend“

Original:

CJA, 1 C Fr 1, Nr. 31, #9835, Bl. 32

Die Welt zur Rettung

Jüdische Vorsteher und Medien wissen: Sie brauchen jede Unterstützung, die sie bekommen können

„Die österreichischen Juden haben eine alte Tradition als voll gleichberechtigte Bürger, die stets ihre Kräfte in den Dienst der Heimat gestellt haben und zum Aufschwung derselben auf allen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gebieten wesentlich beigetragen haben“.

Wien

Das gesamte Titelblatt der deutschsprachigen religiös-zionistischen „Allgemeinen Jüdischen Zeitung“ in Bratislava ist dem „Anschluss“ gewidmet: Juden werden aufgerufen, ihren österreichischen Glaubensgenossen zur Seite zu stehen. Eine anonyme Quelle weist auf die Verarmung weiter Teile der österreichischen Judenheit und die daraus resultierende Notwendigkeit hin, das Sozialwesen neu zu ordnen und sich den immer dringender werdenden Angelegenheiten der Umschulung und der Emigration zuzuwenden. Der Leser wird daran erinnert, dass Österreich noch immer Mitglied des Völkerbunds sei und dass das österreichische Recht gleiche Rechte für religiöse und nationale Minderheiten einfordere. Unter anderen Quellen wird der britische Unterstaatssekretär für Äußeres, Butler, zitiert, der berichtet, er habe Zusicherungen bekommen, die deutsche Regierung werde in Bezug auf Minderheiten „alle Anstrengungen unternehmen, eine Mäßigung der Politik zu erzielen“. Auch berichtet das Blatt, der Präsident des Jüdischen Weltkongress, Rabbi Wise, habe an den Völkerbund appelliert, den Juden beizustehen. Ansonsten zeichnet sich ein düsteres Bild ab: Die Produktion jüdischer Zeitungen eingestellt, prominente Juden arrestiert, ein jüdisches Theater geschlossen, die jüdische Ärzte entlassen und andere Schikanen. Die Zeitung ruft Juden in aller Welt auf, den Brüdern und Schwestern in Österreich zur Seite zu stehen.

Hitler auf Heimatbesuch

Adolph Marcus hält seine Eindrücke im Tagebuch fest

„Die Angst unter dem Personal wächst von Tag zu Tag [...]“.

Linz

Vom 12. bis zum 14. März hatte sich Hitler in Linz aufgehalten, das er seit seinen dort verbrachten Jugendjahren als seine Heimatstadt betrachtete. In seiner Rede an die Bevölkerung der Stadt hatte er sich zum Vollstrecker des Volkswillens stilisiert und den „Opferwillen“ der deutschen Soldaten und die „Größe und Herrlichkeit“ des deutschen Volkes beschworen. Viele unter seinem Publikum reagierten begeistert, andere wurden von Furcht ergriffen. Mit zwei Sätzen gelingt es Adolph Markus, die angstvolle Atmosphäre an seinem Arbeitsplatz in Linz Tage nach dem „Anschluss“ einzufangen.

Diskriminierungen und Verhaftungen

Einen Tag nach dem Anschluss eskalieren die Feindseligkeiten

Wien

Nach ihrem triumphalen Einzug in Österreich verloren die Nazis keine Zeit, die jüdische Bevölkerung des Landes einzuschüchtern und sie aus einflussreichen Stellungen und aus dem gesellschaftlichen Leben zu verdrängen: Prominente Bankiers und Geschäftsmänner wurden verhaftet, andere Juden – besonders solche, die in Bereichen tätig waren, die als „jüdisch“ galten, wie die Presse und das Theater – wurden entlassen und durch „Arier“ ersetzt. Die Atmosphäre in Österreich Juden gegenüber wurde zunehmend feindselig. In Organisationen, deren Ziel es war, die Auswanderung von Juden nach Palästina zu fördern, fanden Razzien statt. Gleichzeitig hatte man die Annullierung der Pässe „gewisser Leute“ angekündigt. Erwähnenswert ist, dass die Zahl der Juden in Österreich im März 1938 etwa 206.000 betrug, womit sie gerade 3% der Gesamtbevölkerung ausmachten.

Unentschieden

Hakoah Wien und jüdische Sportkultur

Wien

Das Spiel des Fußballvereins Hakoah Wien gegen den SV Straßenbahn Wien am 7. März endete mit einem 2:2. Die Mannschaft war Teil des berühmten jüdischen Sportvereins Hakoah Wien. Dieser war 1909 infolge der veränderten Einstellung innerhalb des liberalen Judentums zu Körper und Gesundheit gegründet worden. Der hier gezeigte Mitgliedsausweis gehörte einem der führenden Trainer des Vereins, dem Schwimmtrainer Zsigo Wertheimer. Wertheimer trainierte Ruth Langer, eine berühmte, damals fünfzehnjährige Schwimmerin, die es trotz ihres Erfolgs ablehnte, sich 1936 der österreichischen Olympiamannschaft anzuschließen.

QUELLE

Institution:

Jüdisches Museum Wien

Sammlung:

Mitgliedsausweis von Zsigo Wertheimer

Original:

Inv. Nr. 16776

Eine gleichgeschlechtliche Beziehung mit einem Juden

Gottfried von Cramm wird auf der Basis von §175 verhaftet

Berlin

Als gutaussehender, blonder, sportlicher Spross eines niedersächsischen Adelsgeschlechts besaß Gottfried von Cramm alle Merkmale, die bei den Nazis für Propagandazwecke hoch im Kurs standen. Doch der Tennis-Star – er hatte 1934 und 1936 das French Open gewonnen – weigerte sich ausdrücklich, sich als Aushängeschild der Naziideologie benutzen zu lassen und trat nie der NSDAP bei. Nachdem er sich wiederholt Gelegenheiten entzogen hatte, sich bei den Machthabern beliebt zu machen, war es jedoch eine andere Angelegenheit, die ihn in Schwierigkeiten brachte: Am 5. März 1938 wurde von Cramm aufgrund seiner homosexuellen Beziehung zu einem galizischen Juden, dem Schauspieler Manasse Herbst, für ein Vergehen gegen den berüchtigten §175 des deutschen Strafgesetzbuchs festgenommen. Die Nazis hatten den Paragraphen verschärft.

Harold MacMichael

Ein neuer britischer Hochkommissar für Palästina

Jerusalem

Diese Radierung des deutsch-jüdischen Künstlers Hermann Struck zeigt den fünften britischen Hochkommissar für Palästina, Harold MacMichael, der am 03. März 1938 sein Amt antrat. Zuvor hatte MacMichael verschiedene Posten in Afrika innegehabt. Der Hochkommissar war der höchstrangige Vertreter des Empire in Palästina zur Zeit des Völkerbundmandats. Der Schöpfer des Portraits, Hermann Struck, orthodox und früh dem Zionismus zugewandt, war bereits 1923 nach Palästina ausgewandert und hatte sich in Haifa niedergelassen. Er war besonders für seine meisterhaften Radierungen bekannt. Künstler wie Chagall, Liebermann und Ury hatten sich von ihm in dieser Technik unterweisen lassen.

Verheißung wird wahr

Kurt Weill feiert seinen 38. Geburtstag in New York

New York

Als Jude, Sozialist und Komponist von Musik, die vom Regime als „entartet“ eingestuft wurde, unerwünscht in Nazi-Deutschland, konnte Kurt Weill seinen 38. Geburtstag am 2. März in Sicherheit feiern: Nach Angriffen durch die Nazi-Presse und gezielten Protestaktionen gegen ihn war Weill bereits 1933 nach Frankreich emigriert. Die Proben zur Uraufführung seiner Oper „Der Weg der Verheißung“ (Libretto: Franz Werfel, engl. Version „The Eternal Road“) in New York gaben ihm Gelegenheit, in die USA zu reisen. Aufgrund zahlreicher technischer Probleme musste die Premiere bis 1937 verschoben werden. Weill ergriff die Gelegenheit, in Amerika zu bleiben. Bis 1938 war neben der genannten Oper auch das Musical „Johnny Johnson“ in New York zur Aufführung gelangt.

Drei jüdische Muttersprachen

Ein Tel-Aviver Schauspieler bringt „junge palästinensische Poesie“ nach New York

„Insbesondere seine hebräischen Programmnummern dürften stärkster Aufmerksamkeit begegnen, weil wohl noch kein Schauspieler in New York Bibel und moderne Poesie in hebräischer Sprache so vollendet vorgetragen hat.”

New York City

Nur wenige unter dem New Yorker Einwandererpublikum, das zu einer dreisprachigen Veranstaltung der Theodor Herzl Society erwartet wurde, waren je hebräischen Muttersprachlern begegnet: Kein Wunder also, dass der „Aufbau” annahm, der hebräische Teil werde die größte Attraktion darstellen. Der Künstler des Abends, der Schauspieler Albert Klar (Sklarz), geboren und aufgewachsen in Tel Aviv, hatte seine Karriere in Berlin unter namhaften Regisseuren wie Reinhardt und Piscator begonnen. Nach New York war er Dank der Einladung des großen jiddischen Schauspielers Morris Schwartz gelangt, der ihn an sein Yiddish Art Theatre engagiert hatte. Der Veranstaltungsort war Ansche Chesed, eine von deutschen Einwanderern gegründete Synagoge auf der Upper West Side.

„Entartet“

Nazi-Deutschland bricht mit der Moderne

München

Mit der 1937 initiierten Wanderausstellung „Entartete Kunst“ versuchten die Nazis anhand von 650 aus 32 Museen konfiszierten Kunstwerken der Bevölkerung ihre eigene Kunstvorstellung aufzuzwingen: Neuere Strömungen wie Expressionismus, Surrealismus oder Fauvismus, um nur einige zu nennen, galten ihnen als „jüdisch-bolschewistisch“ und wurden gnadenlos verunglimpft. Das hier gezeigte Titelblatt des Ausstellungsführers zeigt ein Werk mit dem Titel „Großer Kopf“ aus der Werkstatt des deutsch-jüdischen Künstlers Otto Freundlich, eines der ersten Vertreter der abstrakten Kunst. Das Werk war 1912 entstanden und hatte einen erhofften geistigen Neubeginn symbolisieren sollen. Abgesehen von Freundlichs jüdischer Abkunft und seinen künstlerischen Neigungen war er als Kommunist auch politisch missliebig.

Jahreschronik 1938

Von Schuschnigg beschwört die Unabhängigkeit Österreichs

Porträt von Kurt von Schuschnigg in seinem Büro. Encyclopedia Brittanica.

Kurt von Schuschnigg beschwört die Unabhängigkeit Österreichs in einer dramatischen Rede vor dem Parlament. Der Kanzler Österreichs betont die Treue der Regierung, einschliesslich der nationalsozialistischen Minister Seyß-Inquart und Glaise-Horstenau, zur Verfassung von 1934. Die Ansprache wird von mehreren europäischen und amerikanischen Sendern übertragen. „Bis hierher und nicht weiter! [. . .] Bis in den Tod! Rot-Weiß-Rot! Österreich!“, warnt der Kanzler die österreichischen und deutschen Nationalsozialisten, die ein Bündnis suchen.

Zur Jahreschronik 1938

Gefahr im Verzug

Das Tagebuch eines Linzer Juden füllt sich mit dunklen Vorahnungen

„Unterdessen nehmen die Nazidemonstrationen immer größere Formen an, so dass man die immense Gefahr, die jetzt Österreich droht, immer näher kommen sieht.“

Linz

Am 12. Februar, dem Tag, an dem Hitler dem österreichischen Bundeskanzler Schuschnigg das „Berchtesgadener Abkommen“ aufzwang, hatte der Österreicher Adolph Markus begonnen, ein Tagebuch zu führen. Das Abkommen forderte die Freilassung inhaftierter Nationalsozialisten, garantierte den österreichischen Nationalsozialisten freie Betätigung und ihren politischen Vertretern ein größeres Maß an Beteiligung an Regierungsgeschäften. Markus war zum Zeugen des aggressiven Benehmens der Freigelassenen und ihres Empfangs durch Sympathisanten auf den Straßen von Linz geworden. In seinem Tagebucheintrag vom 20. Februar hält er die Geschehnisse des Tages fest und lässt seine Sorge um sein Land erkennen.

Ein Ort der Zuflucht wird bedroht

Das Heim des Jüdischen Frauenbundes in Neu-Isenburg

„Die Isenburger Polizei stellte uns heute das Ultimatum entweder Esther Kleinmanns Papiere ihr bis spätestens den 25. ds. vollzählig (Abmeldung und Pass) zu übergeben oder aber würde Esther Kleinmann ausgewiesen.“

Neu-Isenburg/Darmstadt

Bertha Pappenheim (1859–1936), geboren und aufgewachsen in Wien, war eine führende deutsch-jüdische Frauenrechtlerin. Besser bekannt als die Patientin „Anna O.“ aus Sigmund Freuds „Studien zur Hysterie“, siedelte sie 1880 nach Frankfurt a. M. über, wo sich der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit allmählich vom Karitativen zur sozialen Stärkung von Frauen verlagerte. 1907 richtete sie in Neu-Isenburg ein Heim für schutzbedürftige junge jüdische Frauen ein, das sie als ihre wichtigste Errungenschaft betrachtete. Unter den Nationalsozialisten musste das Heim sämtliche Bewohnerinnen polizeilich melden. In dem hier abgebildeten Brief bittet die Sekretärin des Heims Rabbiner Dr. Merzbach im Bezirksrabbinat Darmstadt, umgehend die Papiere der Heimbewohnerin Esther Kleinmann zu schicken, da diese sonst mit Ausweisung zu rechnen habe.

QUELLE

Institution:

Jüdisches Museum Berlin

Sammlung:

Sammlung Familien Katz/Rubin, Schenkung von Sally und Chaim Katz

Vom Reichsbürger zum Staatsangehörigen zum Staatenlosen

Es braucht einen Durchbruch in der Flüchtlingskrise

Genf

Bereits 1936 hatte der Völkerbund mit Sir Neill Malcolm eigens einen „Hochkommissar für Flüchtlinge“ aus Deutschland eingesetzt. Angesichts des zunehmenden Flüchtlingsstroms aus Nazi-Deutschland wurde im Februar 1938 in Genf unter der Ägide des Völkerbundes eine Regierungskonferenz einberufen. Das orthodoxe Blatt „Der Israelit“ berichtet hier vom ersten Tag der Zusammenkunft, an der Delegierte aus 14 Ländern teilnahmen. Durch die Nürnberger Gesetze hatten Juden eine Herabstufung von „Reichsbürgern“ zu bloßen „Staatsangehörigen“ erfahren. Sobald sie Deutschland verließen, mussten sie mit dem Entzug ihrer Staatsangehörigkeit rechnen. Zwei Mitglieder des Verbindungsausschusses, Bentwich aus London und Seroussi aus Paris, forderten daher, den Flüchtlingsschutz auch auf Staatenlose auszudehnen.

Ich und Du—trotz allem

Martin Bubers letzter Geburtstag in Deutschland

Heppenheim

Der Religionsphilosoph Martin Buber wurde am 8. Februar 1878 in Wien geboren. Während sein wohl bekanntestes Werk „Ich und Du“ ist, schuf er außerdem in Zusammenarbeit mit Franz Rosenzweig eine neue Übersetzung der Hebräischen Bibel ins Deutsche. Unter der jüdischen Jugend in Deutschland war Buber so populär, dass zur Beschreibung des Phänomens der Begriff „Bubertät“ aufkam. Buber war unter den Fürsprechern eines binationalen Staates in Palästina. 1925 gründete er gemeinsam mit Gershom Scholem, Robert Weltsch, Hugo Bergmann, Ernst Simon und anderen „Brit Shalom“, eine Organisation, die arabisch-jüdische Koexistenz auf der Basis von Gerechtigkeit und Gleichheit anstrebte. Am 8. Februar feierte er seinen 50., und wie sich bald herausstellte letzten, Geburtstag in Deutschland.

Atmosphäre der Ausweglosigkeit

Aus dem Tagebuch eines einstmals gefeierten Beamten des Gesundheitswesens

„Ein von Juden gegründetes Unternehmen nach dem anderen wird „arisiert“ - wie der euphemistische Ausdruck lautet; aus den anderen Betrieben werden die jüdischen Angestellten herausgedrängt und der Wohlfahrt in die Arme getrieben. Die Sperrmark steigt ins Bodenlose, damit wird die Auswanderung der wenigen Kapitalisten noch erschwert.“

Berlin

„Möge es Ihnen vergönnt sein, Ihre bewährten Kräfte noch recht lange dem Wohle und zum Nutzen der Stadt widmen zu können.“ Mit diesen Worten gratulierte der Berliner Bürgermeister, Heinrich Sahm, Prof. Erich Seligmann, dem Direktor der Wissenschaftlichen Institute im Hauptgesundheitsamt und der obersten Instanz in Fragen der öffentlichen Gesundheit, im Oktober 1932 zu seinem 25. Dienstjubiläum. Kaum ein halbes Jahr später, im März 1933, wurde Seligmann entlassen – ungeachtet seiner anerkannten wissenschaftlichen Leistungen und seiner herausragenden Kenntnisse im Bereich der Seuchenbekämpfung, die er u.a. als Stabsarzt im Ersten Weltkrieg unter Beweis gestellt hatte. In diesem Tagebucheintrag aus dem Jahr 1938 berichtet Seligmann in Zusammenhang mit einer geplanten Reise nach Rom, wo er und seine Frau Elsa ihren Sohn Rolf zu treffen hofften, Juden würden „in großem Umfang die Pässe eingezogen“ und es herrsche „eine Atmosphäre der Ausweglosigkeit“.

QUELLE

Institution:

Leo Baeck Institute – New York | Berlin

Sammlung:

Sammlung Erich Seligmann, AR 4104

Original:

DM 79, Tagebuch 2

Schutzlos

Die jüdische Gemeinde in Wien steht vor ihrem Zerfall—700 Jahre nach Erteilung des Schutzprivilegs

Wien

Diese Fotografie zeigt ein malerisches Panorama des 1. Bezirks der Stadt Wien aus der Vogelschau. Anfang 1938 lebten in der österreichischen Hauptstadt noch immer fast 170.000 Juden und 80.000 Personen, die christlich-jüdischen Mischehen entstammten, zu Hause. Juden machten etwa zehn Prozent der Bevölkerung aus. Die Mehrheit war gut in die österreichische Gesellschaft integriert: Nicht nur betrachteten sie Deutsch als ihre Muttersprache, sie prägten auch die kulturelle und soziale Landschaft der Stadt. Unter ihnen waren der Vater der Psychoanalyse, Sigmund Freud, der Albanist Norbert Jokl, der Schriftsteller Friedrich Torberg und der Komponist Arnold Schönberg.

Palästina

Überwältigende Landschaften und blutige Unruhen

Haifa

Dieses Gemälde des in Haifa ansässigen Künstlers Hermann Struck zeigt eine der ikonischen Landschaften des Heiligen Landes, das Tote Meer, und dessen Umgebung. Struck war einer der wenigen deutschen Juden, die bereits vor 1933 nach Palästina ausgewandert waren. Was das Bild nicht reflektiert, ist die komplizierte Situation in Palästina Ende der dreißiger Jahre: Aufgrund des wachsenden Zustroms jüdischer Einwanderer im Allgemeinen und, ab 1933, deutscher Juden im Besonderen, wuchsen die Spannungen zwischen Juden und Arabern und zwischen den Arabern und der britischen Mandatsmacht. Die gewalttätigen Ausschreitungen zwischen den Gruppen kulminierten in einem arabischen Aufstand in den Jahren 1936-1939. Dies führte dazu, dass die britische Mandatsregierung auf der Basis ihres „Weißbuches“ im Jahr 1939 noch weniger Juden die Einreise ins Land gestattete als in den Vorjahren. Einwanderungswillige deutsche Juden mussten auf eine neue Quote warten, während andere Emigrationsmöglichkeiten stetig schwanden.

Religion, Kultur und das Ringen um Menschenwürde

Die Synagoge der Prinzregentenstrasse im notgedrungenen Wandel.

Berlin

Diese Zeichnung zeigt das Innere der Synagoge Prinzregentenstraße in Berlin Wilmersdorf. Das 1930 erbaute Gebäude war darauf angelegt, die Bedürfnisse einer liberalen Gemeinde zu erfüllen. Wie auf dem Bild zu sehen, war die Synagoge mit einer prächtigen Orgel ausgestattet. Rabbiner Leo Baeck hielt die Festpredigt bei der Eröffnungszeremonie. Nach 1933, als die Juden mehr und mehr aus dem Kulturleben verdrängt zu werden begannen, wurde die Synagoge Prinzregentenstraße auch zu einem jüdischen Kulturzentrum.

Die vielen Leben des Leo Perutz

Der Verlust des deutschen Absatzmarktes zwingt zur Auswanderung

„Denn es ist die menschliche Natur, selbst in der äußersten Not einen Funken der Hoffnung zu sehen und ihn zur Flamme zu machen.” ― Leo Perutz, Nachts unter der steinernen Brücke

Wien/Tel Aviv

Leo Perutz kann auf vielfältige Weise beschrieben werden: als Romancier, als Mathematiker, als gebürtiger Prager, als Schach-Liebhaber – um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Als Schriftsteller wurde er von Kollegen und Millionen von Lesern bewundert: So groß war sein Erfolg, dass er sich 1923 entschloss, seinen Brotberuf als Versicherungsmathematiker aufzugeben. Die Weltwirtschaftskrise traf ihn schwer, da sie sich nicht nur negativ auf den Buchhandel auswirkte sondern auch die Familienfirma, an der er beteiligt war, weniger profitabel machte. Zu allem Unglück verlor sein jüdischer Verleger, Paul Zsolnay, nach der Machtergreifung mit Deutschland seinen größten Absatzmarkt. Dies ist eines der letzten Fotos von Perutz vor seiner Emigration nach Palästina in 1938.

Jahreschronik 1938

Aktion „Arbeitsscheu Reich”

Plakat des Reichsarbeitsdiensts, 1938.

Heinrich Himmler kündigt einen „einmaligen, umfassenden und überraschenden Zugriff“ auf die „Arbeitsscheuen” an. Arbeitsscheu waren demnach alle Männer im arbeitsfähigen Alter, die zweimal einen ihnen angebotenen Arbeitsplatz abgelehnt oder nach kurzer Zeit aufgegeben hatten. Mit der Durchführung dieser Aktion wird die Gestapo beauftragt, die die nötigen Informationen im Zusammenwirken mit den Arbeitsämtern besorgt. Vom 21. bis 30. April werden reichsweit zwischen 1500 und 2000 Männer als arbeitsscheu identifiziert und im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Ein Haftprüfungstermin ist erst binnen des zweiten Haftjahres vorgesehen.

Zur Jahreschronik 1938

Der 48. Geburtstag Karl Adlers

Das Jüdische Lehrhaus Stuttgart

Stuttgart

Karl Adler wurde am 25. Januar 1890 in Buttenhausen (Württemberg) geboren. Er studierte Musik am Konservatorium in Stuttgart, dessen Direktor er 1921 wurde. Auch gehörte er zu den Gründern des „Vereins zur Förderung der Volksbildung“, der sich für die Erwachsenenbildung einsetzte, und leitete dessen Musikabteilung. 1926 war er maßgeblich an der Gründung des Stuttgarter Jüdischen Lehrhauses beteiligt. Nach seiner Entlassung vom Konservatorium 1933 initiierte und leitete er die Stuttgarter Jüdische Kunstgemeinschaft. 1935 wurde er Musikdezernent der Mittelstelle für jüdische Erwachsenenbildung, einer Abteilung der Reichsvertretung der Juden in Deutschland.

QUELLE

Institution:

Leo Baeck Institute – New York | Berlin

Sammlung:

Sammlung Leopold Levi, AR 1929

Original:

ALB-OS 19, F 84099

Aus Markus wird Mischa

Der fünfzehnte Geburtstag eines deutsch-jüdischen Flüchtlingskindes in Moskau

Moskau

Markus Wolf (mitte im Bilde) wurde 1923 als Sohn des kommunistischen Arztes und Schriftstellers Friedrich Wolf (rechts) in Hechingen in der Schwäbischen Alb geboren. Nach der Machtergreifung emigrierte die Familie zunächst in die Schweiz, später nach Frankreich und 1934 in die Sowjetunion. Dort wohnte Familie Wolf im Hotel Lux, wo viele deutsche Kommunisten untergebracht waren. Während der Jahre des Großen Terrors (1936-38) folterte und verhörte das Stalin-Regime, das gegenüber den Ausländern zutiefst misstrauisch war und sie für potentielle Spione hielt, zahlreiche deutsche Kommunisten. Unter den etwa 600.000 Opfern der Säuberungsaktion waren 178 deutsche Kommunisten – überwiegend Bewohner des Hotel Lux. Familie Wolf überlebte.

Mischehe dank Sondererlaubnis

Glückwunschbrief an Hermann Hoerlin aus Anlass seiner bevorstehenden Hochzeit mit Käthe Schmid

„Ich wünsche Ihnen beiden allen Segen. Es gibt gewiss keine prächtigere, edlere Natur, ein freudiger von ihr ausgestattetes Menschenkind als Käte [sic] Schmid, und es ist darum viel damit gesagt, wenn man sie Ihnen, lieber Herr Hoerlin, gleichsam zuspricht und das von Herzen, ohne Wenn und Abers, ohne jede Einschränkung.“

Salzburg/Stuttgart

Ein unbekannter Schreiber gratuliert dem deutschen Bergsteiger und Physiker Hermann Hoerlin zu seiner bevorstehenden Hochzeit mit Käthe Schmid, die laut Sprachgebrauch der Nazis „Halbjüdin“ war. Das 1935 verabschiedete „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ verbot die Eheschließung zwischen Juden und Nicht-Juden. Nach langen Bemühungen bekam das Paar eine Sondergenehmigung, und die Hochzeit konnte stattfinden.

QUELLE

Institution:

Leo Baeck Institute – New York | Berlin

Sammlung:

Sammlung Kate and Herman Hoerlin, AR 25540

Original:

Archivbox 2, Ordner 13

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